
Mit dem Kanu den Yukon River hinunter
Intro
Kanada. Eines jener Länder, wenn nicht sogar das Land, die bekannt sind für ihre Wildnis. Wälder soweit das Auge reicht, leere Täler, Unerklommene Berggipfel, pristine Küstenlinien, quadratkilometerweise unberührte Natur. Wie viele vor uns hat es auch uns aus diesen Gründen nach Kanada gezogen. Als «Reisevorbereitung» schauten wir an einem kühlen, dunklen Winterabend in Zürich auf Netflix eine Dokumentation von einem Engländer der mit seinem 60 jährigen Vater einen Monat lang einen Fluss in der kanadadischen Wildnis hinunter paddelte. Sofort waren wir hell begeistert und sagten uns: Wenn die das können, können wir das auch!
Optionen für solche Unterfangen bietet Kanada, mit seinen unzähligen Flüssen und Seen reichlich (Kanada hält 20% des globalen Süsswassers 1). Es stellte sich also weniger die Frage, ob wir uns diesen Traum erfüllen könnten, als mehr wohin es denn genau gehen sollte. Nachdem wir in Whitehorse, der Hauptstadt des Yukons angekommen waren, machten wir uns im Internet schlau und gingen in zwei Kanuvermietungen, um herauszufinden was in Frage käme. Für uns war klar, dass wir mindestens eine Woche unterwegs sein möchten, dass wir die Zivilisation weit hinter uns lassen wollen und auf einem Fluss unterwegs sein wollen (nicht also etwa auf einem See, was zwar sicher auch sehr schön wäre aber unserem Wunsch danach, eine gewisse Distanz zu überwinden nicht entsprochen hätte). Da der Yukon so unglaublich dünn besiedelt ist gibt es viele Kanutrips die zumindest in eine Richtung einen Flug mit dem Wasserflugzeug erfordern. Das wäre natürlich next level, hätte unser Budget aber deutlich überstrapaziert. Hinzu kommt dass wir als absolute Kanu-Novizen dann doch nicht ganz so weit weg von jeglicher Zivilisation sein wollten, falls doch etwas schief gehen sollte. Wir suchten also nach einer gut zugänglichen Option und fanden sie schliesslich mit dem Yukon River.

Der Yukon entspringt in British Columbia, durchquert den Yukon und fliesst schliesslich in Alaska ins Beringmeer.
Der Yukon River entspringt wiedersprüchlicherweise im nördlichen British Columbia, fliesst dann in nordwestlicher Richtung durch den Yukon und nach Alaska, welches er weiter gegen Westen durchfliesst und wo er schliesslich ins Beringmeer mündet. Die Strecke von Whitehorse bis Dawson City ist für Anfänger gut geeignet, da es nur auf halbem Weg bei Carmacks Stromschnellen gibt, die für Unerfahrene trotzdem gut machbar sind und die dankbarerweise im Notfall recht nahe an einer Strasse liegen. Die insgesamt ungefähr 750 km sind in 12 – 16 Tagen machbar (wobei man sagen muss, dass die schnellsten Teams im Yukon River Quest, das längste Kanurennen der Welt, dieselbe Strecke in unter 40 h schaffen 2). In Whitehorse kann man direkt in der Stadt ins Kanu einsteigen, davonpaddeln und in Dawson City genauso wieder aussteigen. Das beste jedoch ist, dass man sein ganzes Equipment in Dawson abgeben kann und sich nicht damit rumschlagen muss, es wieder nach Whitehorse zurück zu bringen (bei einem 3 m langen Kanu und ohne eigenem fahrbaren Untersatz doch eine kleine Challenge).
Vorbereitungen
Nachdem wir somit also unseren Trip gefunden hatten, mussten wir uns nun noch vorbereiten. Das bedeutete: Zeitplanung, Equipment reservieren, analoge und digitale Karten beschaffen, Waldbrände entlang der Strecke im Auge behalten, Essen einkaufen und verpacken, Kleider wasserdicht verpacken, Akkus aufladen, Equipment bereit machen und unser Auto an einem sicheren Ort parkieren (in Whitehorse gibt es leider verhältnismässig viele Einbrüche und unser Auto wäre in den zwei Wochen ein einfaches Ziel gewesen).
Für die Strecke von Whitehorse nach Dawson gibt es eine Flusskarte (handgezeichnet, kroki-style), die wir uns kauften und welche 12 bis 16 Tage für den Trip veranschlagt. Um auf der sicheren Seite zu sein planten wir für 16 Tage und kauften dementsprechend essen ein. Nur schon sich zu überlegen, was man für die nächsten 16 Tage essen will ist eine Aufgabe die man nicht unterschätzen sollte – zumindest wenn man wie wir das Bedürfnis nach einer schmackhaften und ausgewogenen Diät hat. Wir klapperten insgesamt drei verschiedene Läden ab, bis wir schliesslich alles gefunden hatten, was wir wollten und benötigten. Das schöne dabei war, dass wir uns – anders als beim Wandern – nicht gross zurückhalten mussten. Denn Gewicht und Volumen des Essens spielen bei einem geräumigen Kanu nicht so eine grosse Rolle wie wenn man alles auf dem Rücken tragen muss (wie wir es bei solchen Trips in die Wildnis normalerweise immer tun). So kauften wir Tomaten, Gurken, Naan Brot, Tofu und Paneer und packten eine kleine Bratpfanne mit ein. In Ermangelung eines besseren Ortes fuhren wir auf den Parkplatz der Bibliothek in Whitehorse und breiteten alles auf unserem Bett im Auto aus, um das Essen ab zu packen. Wir öffneten Teigwarenverpackungen, füllten Linsen in Ziplocks, würtzen, schätzten Nussmengen (eine Wage hatten wir nicht) und zählten Energieriegel, Tomaten und Eier ab. Als wir schliesslich den riesigen Berg an Essen vor uns sahen, fragten wir uns ob das wohl wirklich alles platz haben würde und ob wir es nicht doch etwas übertrieben hatten- wäre schliesslich nicht das erste Mal. Wir sagen uns: Lieber kugelrund als total ausgemärgelt in Dawson ankommen und packen alles ein. Nicht zuletzt galt es nun noch alle Akkus und Powerbanks zu laden. Die ganze Elektronik die wir mitschleppten ist beträchtlich: Handys, Kamera, E-Reader, Satellitenmessenger, GoPro, Kopfhörer. Insgesamt nahmen wir vier Powerbanks mit um sicher zu gehen, dass uns unterwegs die Elektronen nicht plötzlich ausgehen würden.

Die Flusskarten die wir hatten waren in diesem Stil, aber bei weitem nicht so schön wie diese von Lisa gemalte.
Für die Miete des Kanus entschieden wir uns für den günstigeren der beiden Anbieter die wir uns angesehen hatten und hofften einfach, dass wir die gesparten Scheine nicht später doch noch als Füllmaterial für etwaige Löcher in unserem Kanu benötigen würden. Für etwa 600 CHF erhielten wir ein 3 m langes Flusskanu, drei Paddel (ein zusätzliches, falls wir die anderen verlieren sollten), zwei Schwimmwesten, Schwamm und Eimer zum entleeren und reinigen des Kanus, einen 100 l Packsack und eines dieser ikonischen, blauen 60 l Fässer fürs Essen.
Unterwegs
Am 2. August schliesslich luden wir unser ganzes Gepäck beim Vermieter am Fluss ab, brachten unser Auto in eine Storage Unit und gingen dann zu Fuss durch die Industriezone zurück. Kurz liessen wir uns noch von einer Angestellten der Vermietung erklären, was es beim packen und paddeln zu beachten gilt, was zu tun wäre falls wir wieder Erwarten kentern sollten und wie und wo wir unser Kanu und die Ausrüstung in Dawson City nach unserer Ankunft deponieren sollten. Dann ging es daran, unser Kanu das aller erste Mal zu packen. Beim beladen eines Kanus ist es wichtig, das Gewicht auszubalancieren und dann alles mit einer Leine aneinander und am Kanu festzubinden. So kann man das Kanu gut steuern und falls man unfreiwillig ein kühles Bad nehmen müsste, würde sich zumindest das ganze Gepäck nicht wild in der Gegend verteilen. Man würde dann das Seil packen, ans Ufer schwimmen, das Gepäck an der Leine an Land ziehen und sich neu organisieren.
Dann stossen wir uns vom Ufer ab, paddeln leicht Strom aufwärts und dann mit einer kontrollierten linkskurve in die Strömung. Wir sind unterwegs! Schnell zieht die Stadt an uns vorbei, zuerst die Bibliothek und der städtische Uferweg, dann das kleinen Naturschutzgebiet und schliesslich das Industriegebiet wo auch unser Auto steht. Schon sind wir aus der Stadt und links und rechts vom Ufer verschwinden die Spuren der Zivilisation. Nahe des Ufers ist es oft so untief und das Wasser so klar, dass man den Grund bestens erkennen kann. Zusammen mit den am Ufer vorbeiziehenden Bäumen ergibt das das Gefühl, richtig schnell unterwegs zu sein. Wir sind euphorisch und freuen uns darauf, in den nächsten zwei Wochen die Welt auf diese für uns neue Art und weise zu entdecken. Ein Blick auf unsere Karte verrät uns den Flusslauf jeweils bereits im Voraus, zusammen mit GPS und Karte auf dem Handy ist es somit einfach sich zu orientieren. Die Zeit vergeht schnell und wir kommen dank der relativ starken Strömung auch gut voran. Wir kommen an den ersten Weisskopfseeadlern vorbei die uns interessiert von der Böschung oder von einem Ast aus beäugen. Sie werden für den Rest unseres Trips unsere stetigen Begleiter sein. Bald schon erscheint auf der Karte vor uns der Lake Laberge. Dieser ist eine Schlüsselstelle, die wir in den Kommenden drei Tagen überwinden werden. Auf unserer Flusskarte sind an verschiedenen Stellen Camps eingezeichnet. Noch bevor der Fluss in den See mündet peilen wir also das nächste an.




Nach einigem hin und her finden wir schliesslich die richtige Anlegestelle – gut markiert von einem Kanu und einem Kayak von einer Gruppe US-Amerikanern die am gleichen Tag etwas vor uns gestartet waren. Die Dreiergruppe aus Vater, Sohn und einem Freund des Vaters erzählen von anderen Kanutrips die sie schon zusammen unternommen haben und davon, wie sie mit dem Kanu auch auf Wildwasserflüssen unterwegs waren.
Nach einem halben Tag auf dem eher minimalen Polster des Kanus tut es gut, die Glieder zu strecken und sich etwas zu bewegen. Wir werden noch ein paar Schichten Sitzleder entwickeln müssen, wenn wir die nächsten zwei Wochen täglich doppelt so lange unterwegs sein wollen wie heute. Schliesslich legen wir uns erschöpft von den ganzen neuen Eindrücken auf unsere Isomatte und kuscheln uns in den Schlafsack ein.





In den nachfolgenden 14 Tagen paddeln wir jeden Tag ein Stück weiter den Fluss hinunter. Aber wir werden euch hier nicht mit den Details jedes einzelnen Tags langweilen. Anstatt kommen hier ein paar einzelne Momente, Erlebnisse und Erzählungen dieser Zeit.
Ein normaler Tagesablauf
Unterwegs auf dem Fluss pendelte sich relativ schnell eine Routine ein. Morgens krochen wir noch etwas verschlafen aus unserem Schlafsack und machten zum aufwachen erst mal Tee und Kaffee. Meist packte dann eine Person das Zelt zusammen, während die andere Tee und Kaffee zubereitete. Schlafsäcke und Kissen wurden verpackt, die Luft aus der Campingmatte abgelassen, und schliesslich das Zelt abgebrochen. Alles verpackten wir in Drybags, Rucksäcken und Fass, trugen es zum Kanu, verstauten unser Gepäck schön gleichmässig und banden alles mit einer Reepschnur sicher am Kanu fest. Nach einem letzten Check, dass wir auch nichts im Camp liegen lassen hatten, ging es dann jeweils los. Wir stiessen uns ab, paddelten in den Strom und liessen uns abwärts treiben. Unterwegs galt es dann, die Karte im Auge zu behalten, um Untiefen und andere unangenehme Stellen wie im Wasser liegende Baumstämme und Äste zu umfahren, Kurven am richtigen Ort zu nehmen, Barragen aus riesigen, angeschwemmten Baumstämmen auszuweichen und den direktesten Weg zu fahren. Gerade letzteres hat bei einem Fluss mit einer durchschnittlichen Breite von 0.8 km 3 durchaus einen Einfluss darauf, wie schnell man vom Fleck kommt. Da gab es zum Beispiel dieses eine Mal an dem Michel am Steuer war und einen kleinen Seitenarm abchecken wollte, in der Hoffnung dort eher Elche, Bären, Adler und andere Tiere zu sichten. Bald mussten wir aber feststellen, dass der Fluss hier extrem untief war und deshalb total langsam floss. Im Endeffekt kostete uns dieser kleine Abstecher ungefähr eine Stunde und wir sahen kein einziges Tier. Naja, schön war es trotzdem!





Je nach Wetter und Laune paddelten wir morgens ein paar Stunden und machten entweder Halt für ein Beine strecken und Mittagessen oder assen im Kanu während uns der Fluss weiter unserem Ziel entgegen brachte. Irgendwann am Nachmittag kam dann meistens das Gefühl eigentlich langsam genug gepaddelt und gesessen zu haben. Unsere geplante Tagesdistanz verlangte aber oft, dass wir noch eine Stunde oder zwei weiter und suchten uns dann einen hübschen Platz zum Übernachten. Im Schnitt waren wir täglich (inklusive Frühstücks-, Mittags-, Pinkel-, und Fotopausen) zwischen 7 und 8 Stunden unterwegs. In dieser Zeit machten wir durchschnittlich circa 65 km (abgesehen von den Tagen an denen wir auf dem Lake Laberge waren, wo wir in der gleichen Zeit nur gerade 30 km vorwärts kamen).




Unterwegs mit dem Kanu
Kanufahren will organisiert sein. Die Person die hinten sitzt entscheidet grundsätzlichwohin es geht, denn Steuern geht hinten viel besser als vorne. Um beispielsweise nach links zu fahren kann man, auf der rechten Seite paddelnd, am Ende des Schlags das Paddel zum Kanu hin ziehen. Das hat den Effekt, dass sich das ganze Kanu nach links dreht. So kommt man vorwärts und steuert zugleich. Alternativ kann man das Paddel auch wie ein Ruder hinter dem Kanu herziehen und so steuern. Die Person vorne kann mit der ersten Methode zwar das Kanu auch etwas steuern, aber viel weniger gut als in der hinteren Position. Da die Person hinten steuert, hatte diese im Normalfall auch die Karte vor sich und den Job dafür zu sorgen, dass wir am richtigen Ort durchfuhren. Ein Kanu wirklich geradeaus zu lenken ist gar nicht so einfach und es dauerte einige Tage, bis wir den Dreh raus hatten. Wer vorne sass hatte wiederum die Verantwortung, die hintere Person mit Essen zu versorgen, welches wir in einem Täschchen vorne verstauten. Die Kamera hatte Michel immer griffbereit in einem Drybag zwischen den Beinen. Meist war unterwegs das 100 – 500 mm Objektiv montiert, um Tiere auch aus einiger Distanz fotografieren zu können.



Waldbrände
Waldbrände sind in Kanada ein grosses Thema und der Yukon ist trotz seiner unzähligen Seen, Flüssen und generell eher tiefen Temperaturen keine Ausnahme. Als wir das erste Mal in die Kanuvermietung in Whitehorse rein liefen war gerade Tage zuvor der Yukon River Quest wegen eines Waldbrands entlang der Strecke abgesagt worden. Und Leute die gerade den Trip von Whitehorse nach Dawson beendet hatten erzählten, dass sie zum Teil mehrere Tage im Rauch unterwegs waren. Wir entschlossen uns daher erst noch ein paar Wochen abzuwarten, in der Hoffnung dass die Waldbrände abnehmen würden und reisten in dieser Zeit bis ans Ende der Strasse an den Arktischen Ozean und wieder zurück. Unser Kalkül ging auf und als wir aufbrachen gab es viel weniger aktive Feuer entlang der Strecke. Trotzdem muss man natürlich auf der Hut sein, denn diese Feuer können sehr plötzlich auftreten und sich bei den entsprechenden Winden extrem schnell ausbreiten. Die Behörden in Kanada betreiben deswegen verschiedene Websites wo Waldbrände eingezeichnet werden. Wir beauftragten zuhause jemanden, jeweils auf die Waldbrandkarten zu schauen und uns im Falle eines neuen Feuers via Satellitenmessenger zu benachrichtigen. Wir hatten jedoch Glück und es gab keine neuen Feuer etlang unseres Weges während wir unterwegs waren. Wir kamen aber an vielen erst vor kurzem abgebrannten Waldstücken und auch an einigen kleinen, noch brennenden Feuern vorbei.
Vom Kanu aus verkohlte Bäume, schwarze Erde, qualmende Bäume und noch schwelende Brände zu sehen war sehr eindrücklich. Auf dem Wasser dahintreibend kann man sich fast nicht vorstellen, dass es so trocken ist, dass der Wald von einem Blitzeinschlag in Flammen aufgehen kann und dass Regen einem solchen Brand, wenn er erst mal in voller Fahrt ist, nichts mehr anhaben kann.
Essen
Dank dem vielen Platz und dem Fakt, dass man sein Gepäck vom Wasser tragen lässt, konnten wir beim Essen vergleichsweise ziemlich überborden. So nahmen wir zum Beispiel frisches Gemüse, Tofu, Käse, Rahm, Paneer und sogar ein paar Bier mit. Damit zauberten wir uns jeweils ein ziemlich raffiniertes Abendessen auf den Teller, zumindest wenn man bedenkt wie weit weg wir meistens von jeglicher Zivilisation und dem nächsten Laden waren. Das ist schon eine tolle Sache daran, mit dem Kanu unterwegs zu sein – man kann ein vergleichsweise wirklich angenehmes Leben führen im Camp.
Ein weiterer Vorteil davon, auf einem Fluss unterwegs zu sein ist natürlich, dass man immer Zugang zu Wasser hat. Das Flusswasser einfach so zu trinken wäre aber keine gute Idee – es könnte kontaminiert sein und irgendwo im Hinterland krank zu werden könnte potenziell gefährlich werden. Hier kam der Wasserfilter den Lisa als Abschiedsgeschenk von ihrer Freundin geschenkt bekommen hatte zum Zug. Dieser kleine und praktische Filter ermöglichte es uns Sedimente und Krankheitserreger aus dem Wasser zu filtern. Meist filterten wir während dem wir unterwegs waren und lagerten das nun trinkbare Wasser in unserem 10 l Wasserkanister. Leider riss der Dreckwassersack nach etwa einer Woche, da unser Filter (was wir erst im Nachhinein hinausfanden) einen Herstellungsfehler hatte und viel zu streng ging. Wir versuchten, den Sack mit Ducktape zu flicken und schafften es so, noch ein paar Tröpfchen hindurch zu bringen und konnten uns so noch irgendwie durch wursteln.






Sicherheit unterwegs
Die Wildnis ist ein wunderbarer Ort. Aber auch einer, an dem es schnell gefährlich werden kann. Auf unserem Kanutrip gab es drei Hauptgefahren: Waldbrände, Bären und Kentern. Der Abschnitt des Yukons den wir gepaddelt sind gilt als leicht und und Anfängerfreundlich und es galt nur die sogenannten Five Finger Rapids zu meistern (was uns dank guter Vorbereitung bestens gelang). Trotzdem kann man natürlich auch sonst jederzeit kentern. Im schlimmsten Fall könnte man dabei all sein Gepäck verlieren und nass und kalt, ohne frische Kleider stranden. Um uns davor zu schützden, schnürten wir immer all unser Hab und Gut am Kanu fest um im Falle des Falles all unsere Sachen mit uns an Land ziehen zu können. Zum Glück mussten wir diesen Fall nie austesten.
Die nächste Gefahr, um die wir uns kümmern mussten, waren die im Sommer verbreiteten Waldbrände. Diese können jederzeit auflodern, oft werden sie von einem Blitzeinschlag entfacht, oft sind sie jedoch auch von Menschen verursacht. Einmal im Gange können sich solche Feuer bei den entsprechenden Windverhältnissen erstaunlich schnell ausbreiten und können von den Einsatzkräften zum Teil auch gar nicht mehr gestoppt werden. Vor unserer Abreise war zum Beispiel für eine Weile die Strasse zwischen Whitehorse und Dawson City wegen eines Waldbrands für eine Weile gesperrt. Wenn die Einsatzkräfte also während der Touristischen Hochsaison eine Strasse nicht offen halten können, dann werden sie ganz sicher nichts dafür tun, dass ein Fluss irgendwo in der Wildnis nicht in Flammen und Qualm versinkt. Wir mussten uns also überlegen, wie wir die Gefahr der Waldbrände im Auge behalten würden. Wir baten also meinen Vater darum, täglich eine der Waldbrandkarten online zu checken uns via unseren Satellitenmessenger zu informieren, falls es ein neues Feuer entlang unserer Strecke gäbe. So wären wir zumindest informiert und könnten uns anpassen. Eine gewisse Restgefahr blieb aber natürlich auch so, denn Feuer können sehr plötzlich entstehen und sich schnell ausbreiten.



Schliesslich blieben noch die Bären. Von denen gibt es im Yukon zuhauf – sowohl Schwarzbrären als auch Grizzlies sind entlang dem Yukon zuhause. Sie sind im allgemeinen zwar menschenscheu und haben mehr Angst vor uns als wir vor ihnen, trotzdem muss man natürlich Sicherheitsvorkehrungen treffen, zumal sie durchaus gefährlich werden können. Im allgemeinen greiffen Bären Menschen nicht einfach so an, sondern nur dann wenn sie überrascht werden (und auch in diesen Momenten flieht die grossmehrheit eher, als zum Angriff über zu gehen – das gilt sowohl für Schwarzbären als auch für Grizzlies). Am wichtigsten ist es daher also, dafür zu sorgen, dass allfällige Bären in der Umgebung frühzeitig von der eigenen Anwesenheit wissen. Dafür macht man lärm, spricht laut, ruft «hey bär» oder klatscht in die Hände. Das bringt sie normalerweise dazu, das Weite zu suchen.
Es gibt aber auch Bären, die sich an die Präsenz von Menschen gewöhnt haben und die ihre Angst vor uns abgelegt haben. Dies geschieht vorallem dann, wenn sie lernen, dass es in der Nähe von Menschen oft auch etwas leckeres und nahrhaftes zu Fressen gibt für sie (nämlich der von den Menschen mitgebrachte Proviant). Auf unserem Kanutrip haben wir deshalb in der Nacht immer alles Essen (und alles andere was einen starken Geruch hat wie Zahnpaste und Deo – Bären sind ziemlich neugierig) in unser Fass und unseren Bärensicheren Packsack verpackt und möglichst weit von unserem Zelt deponiert. Falls es also einen nächtlichen Bärenbesuch gäbe, würde dieser das Essen zwar riechen und finden, käme aber zumindest nicht dran und würde wieder abzotteln. Zusätzlich trägt man in «bear country» für alle Fälle immer einen Bärspray mit sich herum. Bärsprays sind nichts weiter als ultrapotente Pfeffersprays, die man einem angreiffenden Bären im Falle des Falles aus 1.5 – 3 m Entfernung ins Gesicht sprayt. Zum Glück mussten wir in unseren zwei Wochen unterwegs diesen jedoch nie zücken. Alle Bären die wir sahen waren an Land, während wir auf unserem Kanu an ihnen vorbei Paddelten und die meisten davon flohen sehr viel bevor wir ihnen näher als ein paar hundert Meter kamen.









Flussverlauf
Entlang den circa 750 km die man zwischen Whitehorse und Dawson City auf dem Yukon River zurücklegt verändert sich der Charakter des Flusses und der Umgebung langsam aber stetig. Während man in Whitehorse auf einem knapp 100 m breiten, relativ schnell fliessenden, blauen Fluss startet, fährt man in Dawson City auf einer sich im Schneckentempo vorwärtsbewegenden, braunen, Oberfläche die von Inseln durchsetzt und meist breiter als 1 km ist, ein. An den ersten Tagen können wir nahe des Ufers noch oft den steinigen Grund sehen und erkennen, wie schnell wir in unserem Kanu darüber hinwegziehen. Mit jeder Einmündung eines weiteren Flusses wird das Wasser etwas milchiger, bis es mit der über 2 km breiten Mündung des White Rivers schliesslich komplett undurchsichtig wird. In Seitenarmen, aber auch im Hauptkanal wird es immer wieder erstaunlich untief – sodass wir mit unseren Paddeln den Grund berühren können. Mehrere Male ist es sogar so seicht, dass wir mit unserem Kiel über Steine schrammen.




Genauso verändert sich auch die Landschaft immer wieder. Links und Rechts des Ufers steht meist dichter Nadelwald, ausser dort wo dieser niedergebrannt ist. Die Karte gibt oft das Jahr des Brandes an, was einem einen Eindruck gibt wie langsam sich die Vegetation hier teils erholt. Desto weiter wir in den Norden kommen, desto häufiger mischten sich auch Laubbäume ins Bild die ab dem 12. August bereits begannen, sich gelb zu verfärben – der Herbst kommt so weit nördlich so früh. Wo sich der Fluss in kilometerlangen Kurven langsam in den Hang grub gab es überwältigende Hänge aus Sand und Kies, an deren Oberkanten Bäume am Abgrund stehen und förmlich nur darauf warten, dass der Grund unter ihnen abrutscht. Dann würden sie sich zu ihren Artgenossen in einer der unzähligen, riesigen Ansammlung von Schwemmholz gesellen. Solche «Log piles» können gut auch mal einen ganzen Flussarm verstopfen. Desto weiter wir den Fluss hinunter kommen, desto öfter begegnen wir grossen Ansammlungen von diesen riesigen, von Wind, Wasser und Sonne geschält und gebleichten Baumstämmen – zum Teil noch mit dem ganzen Wurzelwerk im Fluss liegend.








Nach zwei Wochen in der Wildnis, auf dem Wasser und im Zelt fühlte es sich toll an, in Dawson City an zu kommen und sich auf der Dachterrasse eines kleinen Kaffees in die Sonne zu setzen und ein heisses Getränk zu gönnen. Eigentlich hatten wir geplant, noch am gleichen Tag wieder nach Whitehorse zurück zu gehen, aber wir entschlossen, dass uns das zu viel Stress wäre und buchten kurzentschlossen ein Zimmer im günstigsten Hotel des Städtchens. Am nächsten Tag stolperten wir mit all unserem Gepäck und einem Blatt Papier, beschrieben mit «Whitehorse», zur Strasse und warteten nicht lange, bis uns jemand bis ausserhalb der Stadt mitnahm. Bis wir dann jedoch jemanden fanden, der uns die 6 Stunden bis nach Whitehorse mitnahm, dauerte es noch eine Weile. Schlussendlich hatten wir ein riesen Glück als Dillon in seinem grossen Lastwagen anhielt und uns bedeutete ein zu steigen. Wir waren super froh, dass wir so direkt bis Whitehorse kamen und Dillon war so nett, uns sogar direkt vor der Storage Unit wo wir unser Auto abgestellt hatten, abzusetzen.




- https://theconversation.com/canada-has-20-per-cent-of-the-worlds-freshwater-reserves-this-is-how-to-protect-it-159677 ↩︎
- https://en.wikipedia.org/wiki/Yukon_River_Quest ↩︎
- https://en.wikipedia.org/wiki/Yukon_River ↩︎
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